Wohngruppe Russee




Pädagogische Schwerpunkte

Die Wohngruppe Russe arbeitet nach dem Ansatz der individuellen Achtung und Beachtung des Einzelnen. Wenn ein Kind bei uns aufgenommen wird, sind in seiner Vergangenheit so gravierende Dinge geschehen, die einen Verbleib in der Herkunftsfamilie unmöglich machen. Die Symptome äußern sich beispielsweise in Schulverweigerung, Stehlen, Bettnässen, dissozialen und omnipotenten Verhalten. Darum braucht das Kind bzw. der Jugendliche sehr intensive Fürsorge und Führung. Unser Phasen-Modell" dient dazu, die Kinder und Jugendlichen in ihren Entwicklungsphasen adäquat zu fördern und zu fordern:

 

Phase 1:

In dieser Phase haben Intensivbetreuung und Sozialtherapie, Psychotherapie, detaillierte Diagnostik sowie Lerntherapie oberste Priorität. In der Wohngruppe Russe bietet das familienähnliche Zusammenleben Schutz und Geborgenheit, es gibt Halt und stärkt das Wir-Gefühl. Jeweils zwei PädagogInnen leben eine Woche lang mit den Kindern Tag und Nacht zusammen. Dies schafft ein hohes Maß an Kontinuität und die Möglichkeit zu konsequentem Handeln. Bei Bedarf ist eine dritte weitere Fachkraft anwesend, damit die Kinder intensiv gefördert werden können. Sehr wichtig ist das familiäre Milieu, in dem dies stattfindet: keine Hektik, sondern Ruhe; keine Aggression, sondern Beschwichtiqung; viel positive Emotion, viel Freude, Auflockerung, Lachen, gute Stimmung, Berechenbarkeit der PädagogInnen, Konsequenz als Grundprinzip. Mit den Eltern und den Jugendämtern tauschen wir uns intensiv über unsere Arbeit aus. Vor und nach Beurlaubungen werden Erfahrungen verglichen, besprochen und Erziehungspläne erstellt. Nach Möglichkeit bieten wir auch Elternarbeit in den Familien vor Ort an.

Phase 2:

In dieser Phase wird das Erreichte gefestigt und die positive Entwicklung vorangetrieben. Nach der schwierigen ersten Zeit kann sich das Kind nun schon behaupten, durchsetzen und sich in die Gruppe eingliedern. Jetzt geht es um das Absichern des Erfolges und seine Überprüfung durch Belastungen. Die Grenzen werden spürbar erweitert, das Kind bzw. der Jugendliche bekommt mehr Verantwortung und ihm wird mehr Mobilität zugestanden. In dieser Phase wird entschieden, ob der Jugendliche in die Herkunftsfamilie zurückgehen kann. Wenn möglich fährt der Jugendliche nun während der Schulferien nach Hause.

Phase 3:

Diese Phase des Selbstständigkeitstrainings umfasst alle Lebensbereiche: Umgang mit Geld, Besorgen und Zubereiten von Nahrungsmitteln, Wäschepflege, Bekleidung, Ordnung in Zimmer und Haus, Umgang mit Ämtern, Arbeitsstellen, Freizeitverhalten, Sexualität. Dies ist auch die Zeit der Ablösung von den PädagogInnen. Die Interessenlage der Jugendlichen ändert sich mit dem Abklingen der Pubertät drastisch, fast alles gerät in den Sog der Partnerwahl und damit der Selbstreflexion, der Selbstdarstellung und des Finden der eigenen Person. Das Ende der Schulzeit naht und die Berufswahl wird vorbereitet. Ein Schwerpunkt dieser 3. Phase ist die Übernahme von deutlich mehr Verantwortung für sich selbst und die Gruppe. Die Grenzen werden weiter gesteckt, um andere Bereiche erkunden zu können und neue Erfahrungen möglich zu machen. Jugendliche, die in ihre Herkunftsfamilie zurückgehen, werden gemeinsam mit ihrer Familie auf das erneute Zusammenleben vorbereitet. Nach den Eltern-Kind-Kontakten findet ein intensiver Austausch über die Erfahrungen statt.

Phase 4:

Für diejenigen Jugendlichen, die nicht in ihre Herkunftsfamilie zurückgehen, bieten wir das betreute Einzelwohnen in einer angemieteten Wohnung an, wenn der Grad ihrer Selbständigkeit dies zulässt. Ganz alleine wohnen, ohne permanenten Ansprechpartner, ist ein weiterer Schwierigkeitsgrad auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Diese Form der Abnabelung ist sehr individuell auf den Betreuungsbedarf des jungen Menschen ausgelegt. Wir bieten in der letzten Phase Hilfestellungen zur Absicherung der Ausbildung, in Sachen Berufsschule, bei behördlichen und finanziellen Angelegenheiten sowie bei Mietfragen.


Alltagsleben

Unsere Kinder werden wie in einer Familie täglich von zwei Pädagog*Innen im Tag- und Nachtdienst begleitet.  Zusätzlich steht die Hausleitung als dritter Ansprechpartner zur Verfügung.

 

Der Betreuungsrhythmus garantiert Kontinuität, päda-gogische Dichte und intensive Beziehungen. Bei Bedarf kommt noch eine Fachkraft dazu, so dass die Kinder zu jeder Zeit optimal gefördert werden können. Der Tag läuft wie ein normaler Familientag ab. Die heilpädagogisch orientierte Sozialtherapie ermöglicht das Training, wie man mit Konflikten umgeht, wie man Probleme löst und wie man Konflikte vermeidet. Die BetreuerInnen geben durch ihr konsequentes Handeln den Kindern die nötige Orientierung.

 

Die Kinder werden in ihrem aktiven Freizeitverhalten gefördert und sind sehr  gut im Umfeld (Schulen und Vereine) integriert. Morgens beginnt der Tag mit dem gemeinsamen Frühstück vor der Schule. Nach der Schule wird das Mittagessen zusammen vorbereitet und gegessen. Auch für Abräumen und das Saubermachen ist die gesamte Wohngruppe verantwortlich. Danach ist verbindlich Zeit für Hausaufgaben. Nachmittags wird die Freizeit oft in der Gruppe verbracht, wobei es in Russe kein Muss ist. Meistens sind es sportliche Unternehmungen wie Fußball spielen, Schwimmen, Fahrrad fahren, aber auch Toben, Strandspielen, Baden, Schnitzeljagden. Über das Medium Sport können beispielsweise Grob- und Feinmotorik, Aggression, Ehrgeiz, Grenzerfahrungen, Erfolge, soziale Erfahrungen, Angstabbau trainiert werden. 

 

Außerdem wird angestrebt, dass jeder Mitglied in einem Verein ist. Die Sportarten werden systematisch betrieben, denn am Ende soll ein Erfolg zu sehen sein: die Teilnahme an Turnieren, eine Urkunde, ein Reiterpass oder ein Schwimmabzeichen. Zurzeit haben wir Mitgliedschaften in folgenden Sparten: Fußball, Reiten, Bowlen, Klettern und Tischtennis. Durch die Stadtrandlage und den großen Garten bestehen zahlreiche Möglichkeiten der aktiven Freizeitgestaltung sowohl in der Gruppe wie auch alleine bzw. mit Freunden aus der Schule oder dem Verein. In den Ferien sind die Kinder bei ihren Eltern, soweit dies möglich und pädagogisch vertretbar ist. In den Sommerferien findet eine mindestens zweiwöchige Ferienfreizeit statt, an der alle Gruppenmitglieder teilnehmen. Ziel dieser Ferienfahrt ist es, sich außerhalb der Einrichtung ohne den Alltagsstress zu erleben. Immer wieder ist deutlich geworden, wie stark der Stressfaktor "Schule" den Alltag bestimmt.